...Sterne finden und die Uhrzeit mit Hilfe der Sterne bestimmen.
Für die Orientierung auf der Erde sind Himmelsrichtungen und Koordinaten das A und O. So kann jeder Punkt auf der Erde exakt in Längen- und Breitengrad angegeben werden. So können wir ihn auf Karten finden und in der realen Welt ansteuern.
Was auf der Erde gilt, kann auch auf den Kosmos übertragen werden. Um ein Bezugsystem zu haben, wurden auch hier Koordinaten definiert, anhand derer man die Position eines Sternes definieren, bzw. ein Stern am Nachthimmel auffinden kann. Gehst du auf Wikipedia zu einem Artikel eines bestimmten Sterns, dann sind im Kästchen oben rechts immer seine Koordinaten angegeben. Sie werden dabei mit «Rektaszension» (in Stunden) und «Deklination» (in Grad) definiert. Oft ist auch ein Ausschnitt einer Sternkarte dabei, wo die Koordinaten wie auf einer Art «Landkarte» dargestellt werden.
Wikipedia Artikel zum Stern Sirius mit Angabe der Koordinaten und einer Karte seines Sternbildes «Grosser Hund» (Canis Major)
(Quelle der Sternkarte: IAU and Sky & Telescope magazine (Roger Sinnott & Rick Fienberg) - individual constellation chart of Canis Major from IAU (International Astronomical Union) website, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15406243)
In einem früheren Blogartikel habe ich beschrieben, wie die Positionen der Sterne und ihre Bewegungen am Nachthimmel zustande kommen (siehe "Der dynamische Sternenhimmel – wo, wie und warum sich die Sterne am Nachthimmel bewegen"). Wenn du den Nachthimmel kennenlernen willst, dann lohnt es sich zusätzlich auch mit den Sternkoordinaten umgehen zu können. Das hilft dir nicht nur fürs räumliche Verständnis des Sternenhimmels, damit kommst du auch mit den Sternkarten klar und kannst so gezielt Sterne am Nachthimmel auffinden. Zusätzlich kannst du am Nachthimmel ohne Uhr die «Sternzeit» ablesen, bzw. mit Kenntnis des Datums zur «Uhrzeit» umrechnen. Wie das genau funktioniert zeige ich dir am Ende dieses Artikels. Doch erstmal zeige ich dir das Konzept der Sternkoordinaten:
Sternkoordinatensystem
Mit dem Geographischen Koordinatensystem der Erde kann jede Position mit einem Längengrad (λ) und einem Breitengrad (φ) beschrieben werden. Dabei werden zwischen den zwei Polen die Längengrade (Meridiane) gezogen. Die Breitengrade stehen senkrecht dazu.
Geographisches Koordinatensystem der Erde mit Breitengraden (engl. latitude) und Längengraden (engl. Longitude)
(Quelle: ©Siberian Art - stock.adobe.com)
Das Stern-Koordinatensystem funktioniert im Grunde analog zum geographischen Koordinatensystem. Dabei wird jedoch nicht eine Position auf der Erdkugel, sondern eine Richtung aus dem Weltall angegeben.
Statt von der «Geographischen Breite», spricht man bei den Sternkoordinaten von «Deklination». Als Referenz wird dabei ebenfalls der Äquator als «Deklination 0°» verwendet. Zur Richtung des Erd-Nordpols steigt dieser auf 90°, bzw. analog dazu gegen den Erd-Südpol auf -90°.
Geographischer Breitengrad (schwarze Beschriftung) mit Position Mitteleuropa (rot) und Deklination (orange Beschriftung), inkl. Position von ausgewählten Sternen
Der Polarstern, der sich ungefähr in der Richtung des Erd-Nordpols befindet, hat demnach eine hohe Deklination von +89° 15′ 51″. Demgegenüber hat der Stern «Beteigeuze» (im Sternbild Orion) eine niedrige Deklination von +07° 24′ 25,4″ (ungefähr aus der Äquator-Richtung). Der von unserem Sonnensystem aus gesehen nächste Stern «Proxima Centauri» hat eine Deklination -62° 40′ 46,2″ und kommt dabei aus einer so stark südlichen Richtung, dass er in Mitteleuropa nicht sichtbar ist.
Die Analogie der «Geographischen Länge» nennt man «Rektaszension». Die Rektaszension wird im Gegensatz zum geographischen Längengrad nicht in (0 bis 360) Grad, sondern in (0 bis 24) Stunden angeben.
So weit so gut, doch das Ganze mit der Rektaszension hat einen entscheidenden Haken und zwar die Tatsache, dass die Erde ja ständig um sich selbst dreht und dadurch auch die Sterne am Nachthimmel. Für die korrekte Beschreibung einer «absoluten» Position eines Sternes, müssen deshalb die Meridiane der Rektaszension ständig mit der Erde «mitdrehen»: Mit den Sternen am Nachthimmel dreht also auch ständig das Sternkoordinatensystem!
Blicken wir jedoch von aussen auf die Erde, dann verbleiben die Meridiane stets an der gleichen Stelle.
Geographischer Längengrad (schwarze Beschriftung) mit Position Mitteleuropa (rot), welche mit der Erd-Eigenrotation ständig gegen Osten dreht. Vom Beobachtungspunkt auf der Erde sieht es dabei jedoch so aus, als würden die Meridiane der Rektaszension (dunkelblaue Beschriftung) ständig drehen.
Das mit der Erde mitdrehende Stern-Koordinatensystem (und mit ihm die Sterne) befindet sich nach einer vollständigem 360 Grad Erd-Eigenrotation (= 1 Sterntag), mit der Zeitdauer von 23:56:04 Stunden, wieder an der gleichen Stelle wie am Vortag (siehe Artikel "Der dynamische Sternenhimmel – wo, wie und warum sich die Sterne am Nachthimmel bewegen"). Aus diesem Grund ist auch die Einteilung der Rektaszension in (0 bis 24) Stunden naheliegend. Die 24h 0m 0s der Rektaszension entsprechen demnach 23 h 56 min 04 sec auf der Uhrzeit.
Ein Sterntag dauert ca. 23h 56min
Nun noch zum Referenzproblem welche generell bei «Längengraden» auftritt. Beim geographischen Längengrad auf der Erde musste die Länge 0° (Nullmeridian) willkürlich gewählt werden und wurde auf die Position des Observatoriums von Greenwich bei London definiert. Analog dazu musste auch die die «Rektaszension 0h» willkürlich gewählt werden. Diese wurde auf den sogenannten «Frühlingspunkt» definiert. Mit dem Frühlingspunkt ist die Richtung der Sonne am 21. März (zur Tag- und Nachtgleiche im Frühling) gemeint (siehe untere Grafik). Es ist auch der Punkt im Frühling, wo sich die Ekliptik-Ebene (Ebene des Erdorbits) und die Ebene des Erdäquators (Ebene der Erd-Eigenrotation) schneiden. Der Frühlingspunkt entspricht ungefähr der Richtung des Sternbilder Pegasus und Fische. Dieser Punkt wandert sehr langsam mit der Zeit (wegen der «Präzession» des Erdorbit), für die durchschnittliche menschliche Lebensdauer kann er aber in etwa konstant angenommen werden.
Die Lage der 0h-Rektaszension wurde auf den Frühlingspunkt (Richtung der Sonne am 21. März) definiert
Ausgehend vom Frühlingspunkt werden nun die Rektaszension-Meridiane definiert. Die Richtung der Nummerierung erfolgt nach Osten, also mit der Erd-Eigenrotation.
Sternkoordinatensystem am Himmelsgewölbe
Das Sternkoordinatensystem kann am Nachthimmel visualisiert werden. Damit können einzelne Objekte am Nachthimmel aufgefunden werden.
Bereits im Artikel "Der dynamische Sternenhimmel – wo, wie und warum sich die Sterne am Nachthimmel bewegen" habe ich erwähnt, dass sowohl die Richtung des Äquators, als auch die Nord- und Südrichtung der Erdrotationachse am Himmelsgewölbe dargestellt werden können. Auf die Deklination bezogen entspricht die Äquator-Richtung der Deklination von 0° und analog dazu die Richtung der «wahren» Nord und Süd-Richtung der Deklination +90° und. -90°. Die Lage am Himmelsgewölbe ist dabei abhängig vom Breitengrad des Beobachtungspunktes, weil sich mit ihr auch die Ausrichtung des Horizontes bezüglich dem Erdäquator ändert.
Bei uns in Mitteleuropa (Breitengrad ca. +50°) entspricht die Äquator-Ebene, also die Deklination 0°» einer nach Süden ansteigenden und nach Norden abfallenden Ebene, die ca. 40° geneigt ist. Die Linie der Deklination von +90° liegt im Norden beim Polarstern mit einem Winkel von ca. 50° über dem Horizont. Nach Süden sieht man bis auf eine Deklination von -40°, so dass in Mitteleuropa auch Teile des Südhimmels sichtbar sind.
Sternkoordinaten am Himmelsgewölbe Mitteleuropas mit Deklination (orange) und ständig rotierender Rektaszension (blau)
Betrachten wir den Nachthimmel von Mitteleuropa, dann laufen die Rektaszension-Koordinaten (analog zu den Meridianen der Erdkugel) gegen die Polrichtungen zu. Gegen Süden sehen wir von hier aus ein Sternkoordinaten-Muster mit bogenförmigen Deklinationslinien (ähnlich wie Zugbahn der Sonne). Senkrecht dazu befinden sich gegen die «wahre» Südrichtung zulaufende Rektazensions-Meridiane:
Sternkoordinaten am südlichen Nachthimmel Mitteleuropas
südlicher Nachthimmel Mitteleuropas im Winter mit Sternen und Sternbildern
(Quelle: bearbeitet nach ©Ulia Koltyrina - stock.adobe.com)
Beim Blick gegen Osten, bzw. Westen (siehe obige Grafik rechts und links) verlaufen die Deklinationslinien mit einer Neigung von ca. 40° (Höhe Frankfurt) nach Norden gegen den Horizont zu.
Gegen Norden laufen die Rektaszensions-Meridiane zur «wahren» Nordrichtung (beim Polarstern) zu. Die Deklinationslinien verlaufen dabei konzentrisch um den Polarstern herum:
Sternkoordinaten am nördlichen Nachthimmel Mitteleuropas schematisch
nördlicher Nachthimmel Mitteleuropas mit Sternen und Sternbilder
(Quelle: bearbeitet nach ©Ulia Koltyrina - stock.adobe.com)
Wie bereits erwähnt, drehen die Rektaszension-Koordinaten (und mit ihm die Sterne) mit der Erd-Eigenrotation mit. Welche Rektaszension sich z.B. gerade in der südlichen Himmelsrichtung befindet, ist demnach abhängig von der Uhrzeit. Nicht nur das, wegen der Differenz zwischen Stern- und Sonnentag von ca. 4 Minuten, auch vom Datum.
Bewegung der Rektaszensions-Meridiane mit den Sternen am Beispiel des Sternbildes Orion um 18:00 (gelb) und 00:00 (orange) für Ende Dezember (durchgezogene Linien) und Ende Februar (gestrichelte Linien)
Sternkarten
Mit Hilfe der Sternkoordinaten (Deklination und der Rektaszension) kann nicht nur die Position eines Himmelsobjektes definiert werden, sondern auch der Sternenhimmel auf Karten dargestellt werden. Beliebt sind Sternkarten, die zum Polarstern (dem «kosmischen Nordpol») zentriert sind und so die nördliche Himmels-Hemisphäre abbilden ("stereographische" Projektion).
Sternkarte des nördlichen Sternenhimmels (stereographische Projektion)
(Quelle: bearbeitet nach ©Ulia Koltyrina - stock.adobe.com)
Der Vorteil der Pol-Zentrierung liegt darin, dass sich der Sternenhimmel auf der Karte einfach auf den realen Nachthimmel übertragen lässt. So bildet ein Blick zum Polarstern auf der Karte in etwa die Geometrie des nördlichen Nachthimmels ab. Demgegenüber handelt es sich bei einem Blick an den Rand der Karte ungefähr um den (nach Tages- und Jahreszeit) entsprechenden Ausschnitt des südlichen Sternenhimmel.
mit der stereographischen Projektion sieht der Kartenausschnitt in etwa so aus wie ein Ausschnitt des realen Sternenhimmels
(Quelle: bearbeitet nach ©Ulia Koltyrina - stock.adobe.com)
Bei einer Sternkarte, kann aber auch der Äquator in der Mitte dargestellt werden (dadurch werden leider die Pole verzehrt). Eine solche Projektion ist vor allem beim Betrachten des Nachhimmels in niedrigen Breiten nützlich:
Äquator-zentrierte Stern-“Weltkarte". Sie bildet den gesamten Sternenhimmel ab
(Quelle: bearbeitet aus ©shooarts - stock.adobe.com)
Auch ein kleiner Ausschnitt der Weltkarte kann als eine Art «Landkarte» dargestellt werden:
Sternkarte des Sternbildes Schwan mit den Koordinaten der Deklination (vertikal, in Grad) und Rektaszension (in Stunden, leicht gebogen horizontal)
(Quelle: IAU and Sky & Telescope magazine (Roger Sinnott & Rick Fienberg) - [1], CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15406373)
Sternzeit
Unsere Uhren richten sich nach der «Sonnenzeit». Dabei entspricht eine gegebene Uhrzeit einem (jahreszeitlich gemittelten) Sonnenstand. Dabei ist es 12:00 mittags, wenn die Sonne kulminiert, sich also auf seiner steilsten Position des Tages exakt in der südlichen Himmelsrichtung befindet. Der Sonnentag (jährlich gemittelte Dauer zwischen zwei Mittage) dauert 24:00:00 Stunden.
Analog dazu entspricht die «Sternzeit» einer gegebenen Position der Sterne. Weil sich die Sternzeit an der Position der Sterne richtet, kann sie direkt am Nachthimmel abgelesen werden. Die Sternzeit entspricht dabei dem Rektaszensions-Meridian, bei dem die Sterne gerade kulminieren, also sich gerade in der südlichen Himmelsrichtung befinden. Die Zeit zwischen den zwei Kulminationen eines Sterns (= 1 Sterntag) entspricht der Dauer einer 360° Erd-Eigenrotation von 23:56:04 Stunden. Wegen dieser Differenz von ca. 4 Minuten, verschieben sich Sonnenzeit (= Uhrzeit) und Sternzeit konstant.
In der Praxis müsstest du, um die genaue Sternzeit abzulesen, von jedem Stern, der sich gerade im Süden befindet die Rektaszensions-Koordinaten kennen. Näherungsweise befinden sich zu den gewissen Sternzeiten folgende Sternbilder gerade im Süden:
0h: Pegasus / Fische
3h: Perseus (westlicher Rand) / Widder (westlicher Rand)
6h: Orion (östlicher Rand)
9h: Krebs (östlicher Rand)
12h: Löwe (östlicher Rand)
15h: Waage
18h: Schlange (östlicher Rand)
21h: Steinbock
Die Sternzeit entspricht dem Rektaszensions-Meridian, der sich gerade exakt im Süden befindet.
Etwas einfacher ist es, wenn du die Sternzeit am nördlichen Nachthimmel abliesst. Dort sind die Sternbilder «zirkumpolar», also (freie Sicht und wenig Lichtverschmutzung vorausgesetzt) zu jeder Uhr- und Jahreszeit sichtbar. Die Drehung der Sternbilder um den Polarstern erinnert dabei an einen Uhrzeiger! Das Ganze jedoch im Vergleich zu einer normalen Uhr mit Drehung in die entgegengesetzte Richtung (Gegenuhrzeigersinn) und einem 24-Stunden Zifferblatt.
Als Zeiger kann die Achse der zwei hinteren Sterne des Grossen Wagens (Hinterachse des Wagens) genommen werden. Wenn die Sternzeit 23h beträgt, liegt der Grosse Wagen etwas horizontal und der Zeiger zeigt senkrecht zum Boden. Die Linie zwischen Polarstern und der «Hinterachse» des Grossen Wagens kann somit als Zeiger einer riesengrossen «Sternenuhr» mit fixem 24-Stunden Zifferblatt verwendet werden.
Sternenuhr am nördlichen Nachthimmel. Situation bei 23h Sternzeit. Wenn die Hinterachse des Grossen Wagens genau vertikal liegt, dann liegt der 23h-Rektaszensions-Meridian exakt im Süden. Das 24h-Zifferblatt (rote Linien) kann so referenziert werden.
Das Zifferblatt bleibt an Ort und Stelle, während sich die Rektaszensions-Meridiane, die Sternbilder und damit auch der Zeiger konstant verschieben.
Sternenuhr am nördlichen Nachthimmel. Bei diesem Beispiel ist es 02h30m Sternzeit.
Übrigens: Wie die Uhrzeit hat auch die Sternzeit ihre Zeitverschiebung je nach geographischem Längengrad.
Uhrzeit am Nachthimmel mit Hilfe der Sternzeit bestimmen
Nun kommt es noch besser: Die Sternzeit kann auch in die Uhrzeit umgerechnet werden. Kennst du das Datum, dann kannst du am Nachthimmel ohne technische Hilfsmittel nicht nur die Himmelsrichtungen bestimmen, sondern auch (grob) die Uhrzeit ablesen, wie cool ist das denn? :-)
Dabei ist etwas Umrechnung nötig. Grundlage ist die Tatsache, dass am 29. September die Sternzeit identisch ist mit der Sonnenzeit (sofern Sommerzeit nicht berücksichtigt wird). Nach diesem Datum geht die Sternzeit jeden Tag um weitere 4 Minuten vor, was sich nach einem Monat zu 2 Stunden aufsummiert.
Der Sternzeit musst du nun den Vorsprung seit dem 29.September abziehen. Dazu musst du erst die Tage und Monate dazwischen ausrechnen. Danach kannst du pro Tag 4 Minuten, bzw. pro Monat 2 Stunden abziehen. Während der Sommerzeit muss man ausserdem noch 1 Stunde dazuaddieren. Ein Beispiel:
am 12. Dezember lese ich irgendwann am Abend die Sternzeit 02h 00m ab. Die Dauer seit dem vorherigen 29. September beträgt ca. 2 Monate und 14 Tage. Dies entspricht einer Verschiebung von 2*2h + 14*4min = 4 Stunden 56 Minuten (ca. 5 Stunden), die abgezogen werden muss. Die (ungefähre) Uhrzeit ist demnach 02h00m – 5h = 21:00.
Die Umrechnung von Sternzeit zu Uhrzeit geht über den 29. September (wo Sternzeit = Uhrzeit): Pro Monat danach werden 2h, pro Tag danach 4min abgezogen. Während der Sommerzeit muss noch 1h addiert werden.
Wenn beim Datum mehr als ein halbes Jahr zum vorherigen 29. September vergangen ist (z.B. 30. Juli), dann lohnt es sich stattdessen die verbleibende Zeit zum nächsten 29. September desselben Jahres aufzuaddieren. Ein Beispiel:
am 30. Juli in der Nacht lese ich die Sternzeit 20h00m ab. Die Differenz bis zum nächsten 29. September beträgt ca. 2 Monate. Dies entspricht 2*2h = 4h, die zur Sternzeit dazu addiert werden müssen. Dazu kommt wegen der Sommerzeit nochmals 1 Stunde dazu. Die Uhrzeit beträgt deshalb 20h00m + 4h (Verschiebung) + 1h (Korrektur Sonnenzeit) = 01:00.
Die dabei bestimmte Uhrzeit weicht wegen der Zeitverschiebung noch etwas von der tatsächlichen Mitteleuropäischen Zeit ab, da diese auf den 15. Längengrad referenziert ist. Im deutschen Sprachraum geht diese «lokale Uhrzeit», abhängig vom Längengrad, ca. 4 (Dresden) bis 30 (Achse Bern - Köln) Minuten nach.
geographischer Breiten- und Längengrad am Nachthimmel bestimmen
Die Bestimmung des Breitengrades mit Hilfe der Neigung des Polarsterns ist eine einfache Sache. Wie bereits erwähnt ist die Ausrichtung des Horizontes bezüglich der Erdrotationsachse vom Breitengrad abhängig. Die Richtung der Erdrotationsache am Himmelsgewölbe nach Norden entspricht dabei (nahezu) der Richtung des Polarsterns, die wiederum eine Steilheit am Horizont aufweist, welche exakt dem Breitengrad des Beobachtungspunktes entspricht: Das Azimut des Polarsterns entspricht also dem Breitengrad.
Die Bestimmung des Längengrades mit Hilfe der Sternzeit und der Zeitverschiebung ist etwas komplizierter und auch nur möglich, wenn du Datum und Uhrzeit für einen bestimmten referenzierten Längengrad kennst. Die lokale Uhrzeit bestimmst du mit Hilfe der Sternzeit und dem Datum (wie oben im Text beschrieben). Zusätzlich hast du eine Uhr, die auf die Uhrzeit eines bestimmten Längengrades (z.B. 15°E Längengrad für mitteleuropäische Winterzeit) eingestellt ist. Vom Referenz-Längengrad Mitteleuropas musst du nun pro Stunde Zeitdifferenz (lokale Zeit - Referenzzeit) nach Westen 15° Längengrade dazuaddieren. Ein Beispiel:
Du bist auf einem Schiff im Atlantik und hast deine Uhr noch auf die mitteleuropäische Winterzeit (Referenz-Längengrad = 15°E, also quasi «-15°W») eingestellt, auf der du nun 06:00 abliest. Die lokale Uhrzeit hast du mit Hilfe der Sternenuhr und dem Datum auf 01:00 bestimmt. Diese Differenz von 5 Stunden entspricht also 5*15° = 75° Längengrade nach Westen. Du befindest dich also auf dem 15°E + 75°W = 60°W Längengrad. Das Festland Nordamerikas ist also nicht mehr weit entfernt :-)
Solche Koordinaten-Bestimmungen entsprechen genau dem Prinzip, welches vor dem GPS-Zeitalter in der Seenavigation genutzt wurde (Astronavigation). Damals waren präzise Uhren nötig, welche erst ab Ende des 18. Jahrhunderts zur Verfügung standen (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Längenproblem). Die Referenzzeit für diese Uhren lag, wie der Referenz-Längengrad, damals ebenfalls beim Observatorium von Greenwich (0°)
Fazit
Das Konzept der Sternkoordinaten ist nicht nur wichtig um Sternkarten lesen zu können bzw. Sterne am Nachthimmel abhängig von Datum, Uhrzeit und Breitengrad auffinden zu können, sondern kann auch praktisch genutzt werden, um ohne technische Hilfsmittel die Uhrzeit oder die geographischen Koordinaten zu bestimmen.
Als Übung, um in der Sache etwas sicherer zu werden, kannst du dir, egal ob Tag oder Nacht, von deinem Beobachtungspunkt aus das Sternkoordinatensystem am Himmel visualisieren. Wo liegt von dir aus die Äquatorebene mit Deklination 0°? Wo liegt die Deklination 90°. Wie verlaufen die Rektaszension-Stundenkoordinaten und wohin bewegen sie sich ständig?
Am Nachthimmel kannst du auch bei einem dir bekannten Sternbild die konkreten Rektaszension-Meridiane vorstellen (z.B. bei Kassiopeia 0h30m, bei Orion 5h30m oder beim Schwan ca. 20h00m). Versuche im Herbst am Abend die Lage des Frühlingspunktes von 0h mit Hilfe der Sternbilder zu bestimmen.
Auch die Bestimmung der Sternzeit, bzw. Umrechnung zur tatsächlichen Uhrzeit ist eine tolle Sache. Übe dies immer dann, wenn du einen Blick auf den nördlichen Sternenhimmel hast. Das Ablesen der Sternzeit kannst du auch Zuhause üben und zwar mit Hilfe einer drehbaren Sternkarte von Kosmos (ähnlich wie es Kinder für die Bestimmung der Uhrzeit an Spielzeug-Uhren machen).
Viel Spass am referenzierten Nachthimmel!
David
Quellen
Arnold Hanslmaier (2015) - Den Nachthimmel erleben, Sonne, Mond und Sterne - Praktische Astronomie zum Anfassen, ISBN 978-3-662-46031-3
Arnold Hanslmaier (2016) - Faszination Astronomie, Ein topaktueller Einstieg für alle naturwissenschaftlich Interessierten, 2. Auflage, ISBN 978-3-662-49036-5
Hans-Jörg Kriebel (2011-2012) – Survival, Leben und Überleben in der Wildnis, ein Praxisbuch, 2. Auflage, ISBN 978-3-8448-2055-3
Hermann-Michael Hahn und Gerhard Weiland (2017) – Drehbare Kosmos-Sternkarte, Sterne finden, Planeten entdecken, ISBN 978-3-440-15451-9
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